Kritik25. März 2025 Vanessa Votta 4cl41
Filmkritik: «Das Licht»: Eine Momentaufnahme unserer Gegenwart 4s1r5g

Die Engels sind eine hippe deutsche Mittelschichtfamilie mit einer grossen Altbauwohnung in Berlin und noch grösseren Familienproblemen. Mit dem Film «Das Licht» bewegt sich Tom Tykwer zwischen Gesellschaftskritik, Familiendrama und einer Prise Musical.
Tim (Lars Eidinger), Milena (Nicolette Krebitz), die gemeinsamen Zwillinge Frieda (Elke Biesendorfer) und Jon (Julius Gause) sowie Milenas Sohn Dio (Elyas Eldridge) treibt mehr auseinander, als sie verbindet.
Der Sohn Jon lebt in einem Virtual Reality Game und einem messy Zimmer, die Tochter Frieda flüchtet mit Hilfe von Partydrogen in eine andere Welt und bewegt sich nächtelang durch die Berliner Clubszene, die Mutter Milena pendelt zwischen Berlin und Nairobi, um ein Entwicklungsprojekt zu realisieren und Vater Tim arbeitet in einer hippen Werbeagentur als Freelancer und fährt bei Wind und Wetter mit dem Fahrrad durch die Gegend. Jedes der Familienmitglieder tanzt sich durchs eigene Leben, ohne dabei auf die anderen Acht zu geben.
Die Mitglieder der dysfunktionale Familie Engels sind so mit sich selbst beschäftigt, dass sie den Tod ihrer Haushälterin erst am nächsten Morgen bemerken. Dieses Ereignis bringt ihr Egodenken ins Wackeln. Wer kümmert sich eigentlich um wen? Und wie abhängig ist man von Menschen, deren Leben man kaum kennt?
Kurz darauf tritt die neue Haushälterin Farrah (Tala al Deen) in das Leben der Familie. Die aus Syrien geflüchtete Farrah sagt eher wenig – aber ihre blosse Anwesenheit bringt neue Perspektiven ins Haus. In einzelnen Szenen wird deutlich, wie viel Unausgesprochenes im Raum liegt: Farrah sieht, hört, spürt – und gibt dabei dem Publikum einen Blick von aussen auf eine Familie, die sich selbst längst nicht mehr richtig zuhört. Sie selbst versucht ihr ganz eigenes Trauma zu überwinden, indem sie sich vor eine LED Lampe setzt, die verschiedene Lichtimpulse von sich gibt. Es ist eine Art Bewusstseinserweiterung durch Licht, eine Therapie. Dieses Blinken des Lichts, dass ich durch den ganzen Film zieht, wirkt ominös und teilweise finster.
Mit einer Laufzeit von gut zweieinhalb Stunden nimmt «Das Licht» sich viel Raum – manchmal fast zu viel –, um den Zustand unserer Zeit zu erkunden. Der Film will einfach so viel auf einmal. Tykwer verwebt Themen wie die Flüchtlingskrise, Umweltkatastrophen, soziale Ungleichheit, das Auseinanderdriften der Generationen – und dann wieder ganz private Konflikte wie Ehekrisen und Eltern-Kind-Dynamiken. All das wird mit einer Mischung aus Ernst, Witz und manchmal auch ziemlich überraschenden Musical-Einlagen erzählt – ja, wirklich, jedes Familienmitglied bekommt im Laufe des Films seinen Moment auf der Bühne. Das wirkt stellenweise schräg, fast surreal. «Das Licht» ist kein gradliniger Film, sondern ein vielseitiges Porträt unserer Gegenwart – mit all ihren Widersprüchen, Fragen und Problemen. Wer bereit ist, sich auf diesen ungewöhnlichen Film einzulassen, wird mit einem Werk belohnt, das mehr Fragen stellt als Antworten gibt.
«Das Licht» ist ab dem 27. März 2025 im Kino zu sehen.
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