Kritik24. Dezember 2024 Cineman Redaktion 5t501e

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Filmkritik: «Memoir of a Snail»: Zwischen Finsternis und Hoffnung
© Pathé Films

Das Stop-Motion-Drama des Australiers Adam Elliot ist ein einzigartiges und einprägsames Werk, das das Unglück eines Waisenmädchens, das Schnecken sammelt, nachzeichnet. Fünfzehn Jahre nachdem er die höchste Auszeichnung für «Mary und Max» erhalten hat, überzeugte der Australier Adam Elliot beim Festival Annecy 2024 erneut die Jury und heimste den begehrten Cristal for a Feature Film ein.

Ein Text von Marine Guillain; übersetzt aus dem Französischen

Mit tränennassen Augen startet man in den Abspann und denkt, dass man gerade ein beeindruckendes, kraftvolles und qualitativ hochwertiges Werk gesehen hat, das jedoch leider zu schwerfällig ist, als dass man es vollends als Meisterwerk bezeichnen könnte. Einsamkeit, Krankheit, Trennung, Trauer, Mobbing... Adam Elliot nimmt kein Blatt vor den Mund, um Graces Geschichte zu erzählen.

Als sie und ihr Zwillingsbruder Gilbert geboren werden, stirbt ihre Mutter bei der Geburt. In Armut aufgewachsen, Aussenseiter und in der Schule gemobbt, wachsen die beiden Kinder mit unwahrscheinlichen Leidenschaften auf: Grace sammelt Schnecken und will sich nur in ihrem Schneckenhaus verstecken, und Gilbert träumt davon, wie sein Vater Strassenkünstler in Paris zu werden, um seiner Realität zu entfliehen.

Später stirbt auch ihr querschnittsgelähmter und alkoholkranker Vater. Grace und Gilbert werden daraufhin voneinander getrennt und an verschiedene Enden Australiens geschickt. Während Gilbert bei einer Familie religiöser Fanatiker:innen landet, geht das Unglück für Grace weiter. Ihre einzigen Freundinnen sind die Schnecke Sylvia und eine exzentrische 80-jährige Frau namens Pinky.

Szene aus «Memoir of a Snail» © Pathé Films

Nach unten gezogene Mundwinkel, grosse traurige Augen, dunkle Kleidung: Die visuelle Welt und die triste grafische Palette, die in «Memoir of a Snail» verwendet werden, en perfekt zu der düsteren Geschichte, die der Film erzählt. Vom Drehbuch bis zur Leinwand dauerte es acht Jahre, bis der 1,5-stündige Spielfilm fertiggestellt war. Sieben Animator:innen arbeiteten acht Monate lang an den Aufnahmen und produzierten jeweils etwa zehn Sekunden pro Tag. Über 200 Figuren, etwa 200 Kulissen und 5000 Requisiten wurden auf traditionelle Weise von Hand gefertigt, und kein einziges Bild des Films wurde am Computer generiert. Das Feuer wurde beispielsweise aus gelbem Zellophan und der Rauch aus Baumwolle hergestellt.

«Memoir of a Snail» ist eine tragische und grausame Chronik mit schwarzem Humor und einem Hauch von Hoffnung, ein Film, der einen mitreisst, fesselt und den man wahrscheinlich noch lange in Erinnerung behalten wird. Die unkonventionelle Grace löst sofort Empathie aus, ebenso wie der sanfte Gilbert und die fröhliche Pinky, die als einzige das Leben in vollen Zügen geniesst. Sie ist es, die in kleinen Dosen für Freude und rettende Hoffnung sorgt. Das Schneckenhaus als Zufluchtsort, um sich zu verstecken und unsichtbar zu werden, wird von dem Wunsch abgelöst, gegen die Käfige zu kämpfen, in denen wir eingesperrt werden, aber vor allem gegen die, die wir selbst erschaffen.

«Memoir of a Snail» ist ab dem 26. Dezember 2024 im Kino zu sehen.

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