Article13. Dezember 2024 Cineman Redaktion 5q4f2j

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Filmwissen: Mit dem Besen der Schwerkraft trotzen: Hexen im Film
© Universal Pictures Switzerland

Ob mit spitzem Hut oder rosa Tüllkleid, als Kinderschreck oder Verführerin, die Hexe gehört zu Hollywoods beliebtesten übernatürlichen Figuren. Zum Start von «Wicked» schauen wir uns einige der wichtigsten Hexen an, die uns die letzten 100 Jahre in Film und Fernsehen verzaubert haben.

Ein Text von Gabriela Tscharner Patao

«Lass dein Haar herunter…» - Die missverstandene Hexe 333o5n

Sei es eine Hexe aus den Märchen der Brüder Grimm oder eine, die im Mittelalter auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde, Geschichten über mysteriöse Frauen mit Zauberkräften sorgen für guten Filmstoff. Schon in der Stummfilmzeit hatten Hexen ihre ersten Auftritte in Nacherzählungen der Hexenprozesse von Salem, als unbequeme Frauen Ende des 17. Jahrhunderts in Nordamerika der Hexerei bezichtigt und zum Tode verurteilt wurden.

«Häxan» (1922) von Regisseur Benjamin Christensen ist ein schwedischer Stummfilm, der als eine Mischung aus fiktivem Dokumentar- und Horrorfilm dem Aberglauben folgt, der um Hexen und Zauberkunst herrscht. Seiner Zeit voraus stellt der Regisseur die Hexenjagden als Massenhysterie dar, die sich auf Frauen konzentriert, die mit psychischen Krankheiten kämpfen.

Zu den missverstandenen Hexen gehört wohl auch die grünhäutige Elphaba. Dorothys Gegenspielerin aus «Der Zauberer von Oz» (1939) wird in Gregory Maguires Buch «Wicked - Die wahre Geschichte der bösen Hexe des Westens», auf dem das neue Filmmusical basiert, als vielschichtiges und missverstandenes Wesen dargestellt, das erst durch äussere Einflüsse und wider Willen zur bösartig keifenden Hexe wird, die Oz terrorisiert.

Szene aus «Häxan» © IMDb | 1922 - UFA

Auch der bösen Fee aus Disneys «Maleficent» mehr Verständnis entgegengebracht. Nicht auf Grimms Märchen sondern auf der ursprünglichen Geschichte «La belle au bois dormant» von Charles Perrault basierend, wird Dornröschens Gegenspielerin als starke und intelligente Frau dargestellt, die von ihrem Umfeld ihrer Talente wegen gefürchtet und von den Menschen, die sie liebte und denen sie vertraute, verraten wird.

Apropos Brüder Grimm, sowohl Rapunzels "Mutter" Gothel aus «Rapunzel - Neu verföhnt» (2010) als auch die Hexe aus Stephen Sondheims Musical «Into The Woods», die beide auf demselben Märchen basieren, können in die Kategorie missverstandene Bösewichtinnen eingeordnet werden. Klar, diese Hexen hegen Hintergedanken und lechzen nach der ewigen Jugend, die Rapunzels Haar verspricht. Aber beide ziehen das Mädchen wie ihre eigene Tochter auf und halten sie im Turm nur vor den Schrecken der Welt fern, was für mildernde Umstände sprechen sollte.

«Spieglein, Spieglein…» - Die Hexe als Kinderschreck 6d2j4h

Szene aus «Schneewittchen und die sieben Zwerge» © IMDb | 1937 - Disney. All rights reserved.

1937 machte Walt Disney «Schneewittchen und die sieben Zwerge», ein Kindermärchen mit einer Hexe als Gegenspielerin der Prinzessin, zu seinem ersten abendfüllenden Trickfilm. Schneewittchens böse Stiefmutter, die Königin, ist grausam und brutal. Ihre Gier, Eitelkeit und Amoral verwandelt sie in eine hässliche alte Hexe. Verglichen mit der unschuldigen Schönheit von Schneewittchen ist die Königin das personifizierte Böse. Der Film wurde in den USA in der Zeit der Grossen Depression veröffentlicht, die, nach dem Zerfall der Börse und dessen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft, enormen Notstand auslöste. In solchen Zeiten werden Sündenböcke gesucht und Hollywood lieferte Bösewicht:innen. Das Klischee von Gut und Böse wurde geschaffen.

In Grossbritannien scheint sich das Klischee der Hexe als Kinderschreck bis in die 80er-Jahre gehalten zu haben. Roald Dahl beschreibt in seinem Roman «The Witches» böse Hexen, die Kinder in Mäuse verwandeln, um sie leichter beseitigen zu können. Erstmals verfilmt 1990 von Nicolas Roeg mit Anjelica Huston in der Rolle der Hoch-Grossmeister-Hexe traumatisierte «Hexen hexen» von Robert Zemeckis mangelt es den Hexen, diesmal angeführt von Anne Hathaway, an Vielseitigkeit und Komplexität.

«Nur böse Hexen sind hässlich» - Die Hexe als gute Fee 38665q

Billie Burke in «Der Zauberer von Oz» © IMDb | 1939 Warner Home Video. All rights reserved.

Der Film «Der Zauberer von Oz» und die schöne, rosarot gekleidete Glinda (Billie Burke) führten das Image einer guten Hexe im Film ein. Als Dorothys (Judy Garland) Haus von einem Wirbelwind in die Luft gehoben und ins Land Oz geschleudert wird, wo es auf der bösen Hexe des Westens landet, stellt ihr die gute Hexe des Nordens die legendäre Frage: «Bist du eine gute oder eine böse Hexe?» Denn in Oz werden nur böse Hexen bestraft. Dorothy hat Glück und ihr wird fortan als gute Hexe von Glinda der guten Fee geholfen, ihren Heimweg zu finden.

Die wohl bekannteste der guten Feen hilft Cinderella in Disneys «Ella - Verflixt und zauberhaft» sind von der etwas anderen Art. Während Ella (Anne Hathaway) von der Fee Lucinda (Vivica A. Fox) das fragwürdige Geschenk des Gehorsams bekommt, das ständig gegen sie verwendet wird, kämpft die gute Fee Mandy (Minnie Driver) damit, ihre Zauberkräfte zu bändigen und Ella nicht in ein lebloses Objekt wie ein Buch zu verzaubern. Der gute Wille zählt.

«Normal sein ist eine Illusion» - domestizierte Hexen 3l4h3j

Elizabeth Montgomery und Dick York in «Verliebt in eine Hexe» © IMDb

Die Erfindung des Fernsehens und die Suche nach neuen Inhalten, machte die Hexe Mitte des 20. Jahrhunderts beliebter denn je. Und weil das Fernsehen damals als Familienaktivität angesehen wurde, musste die Hexe sich anen. Mit «Verliebt in eine Hexe» und «Die Addams Familie» wurden 1964 gleich zwei Hexen in die Wohnzimmer der Zuschauer:innen gesendet. Samantha Stephens (Elisabeth Montgomery) ist eine hübsche, gutbürgerliche Ehefrau und Mutter. Doch sie stammt aus einer langen Linie von Hexen und mit einem Wackeln ihrer Nase verzaubert sie den griesgrämigen Boss ihres Mannes Darrin (Dick York/Dick Sargent) oder zaubert ein gutes Abendessen auf den Tisch.

Weniger konventionell als Samantha ist Morticia Addams (Carolyn Jones), die Matriarchin der Addams Familie. Obwohl ihr Äusseres, ihre magischen Fähigkeiten und ihre Familiengeschichte, die bis zu den Hexenprozessen in Salem zurückreichen, stark auf Hexenblut hinweisen, ist auch sie in erster Linie Hausfrau und Mutter, allerdings mit einer eigenen Ästhetik. Sie dekoriert ihr Haus mit Blumenstielen, die Blüten der Rosen wirft sie weg, strickt dreiarmige Pullover und hält eine fleischfressende Pflanze namens Cleopatra als Haustier.

John Astin und Carolyn Jones in «Die Addams Family» (1964) © IMDb

Die Domestizierung der Hexe in TV-Serien hielt bis in die 90er-Jahre an, wo Sabrinas (Melissa Joan Heart) Leben in «Sabrina - total verhext!» in erster Linie im Wohnzimmer ihrer Tanten stattfand. Aufregender war das Leben der Halliwell Schwestern in «Charmed - Zauberhafte Hexen», die bis 2006 ihre magischen Kräfte gemeinsam einsetzten, um, als wären sie eine Art übernatürliche Gruppe von Charlies Engeln, die unschuldigen Bewohner:innen von San Francisco vor dem Bösen zu schützen.

Die vielleicht spannendste TV-Hexe der jüngsten Vergangenheit war die süsse Willow (Alyson Hannigan) aus «Buffy - im Bann der Dämonen», die der Vampir-Killerin Buffy (Sarah Michelle Geller) im Kampf gegen Dämonen und Vampire zur Seite steht. Willows magische Kräfte sind die Quelle ihres Selbstbewusstseins und ihre Beziehung mit der Hexe Tara Maclay (Amber Benson) verhalf der US-Fernsehgeschichte in den 90er-Jahren zum ersten lesbischen Liebespaar.

Hexploitation - die Angst vor weiblicher Sexualität 191j4b

Gaby Fuchs in «Hexen bis aufs Blut gequält» (1970) © IMDb

Wie schon die berüchtigte Schweizer Hexe in Gertrud Pinkus’ Film «Hexen bis aufs Blut gequält» von Michael Armstrong und Adrian Hoven ausgeschlachtet wurde. Dieser Film wurde aufgrund seiner expliziten Sex- und Folterszenen seit seiner Erstveröffentlichung 1970 heftig zensiert, eine ungekürzte Version kam erst 2013 als DVD auf den Markt.

Den Look dieser Hexploitation Filme übernommen hat Anna Billers «The Love Witch» (2016). Aber die feministische Perspektive des Films liefert eine hochstilisierte Abrechnung mit dem Genre. Die Hexe Eileen benutzt ihre magischen Kräfte, damit Männer sich in sie verlieben und wirft damit die Frage auf, wie sehr unsere Gesellschaft noch immer solch archaischen Geschlechterrollen folgt. Die Kraft der Hexe ist eine Metapher für die Macht weiblicher Sexualität und die Angst der Männer davor.

Szene aus «The Love Witch» © IMDb

Ein Motiv, das auch von Melisandre (Carice van Houten) in «Game of Thrones» aufgegriffen wird. Die rote Hexe ist eine Furcht einflössende Figur, die den toten Jon Snow (Kit Harington) zum Leben wiedererweckt, Männern wie Stannis Baratheon (Stephen Dillane) zur Macht verhilft, indem sie mit ihnen schläft, nur um gleich anschliessend eine mörderische Schattenfigur zu gebären.

In «The Witch» tut Anya Taylor-Joy als Thomasin ihr Bestes, den Regeln ihrer puritanischen Gesellschaft und deren sexueller Repression gerecht zu werden. Aber schliesslich gibt sie den Widerstand auf und steht zu den Hexenkräften, derer sie ein Leben lang bezichtigt wurde.

Gemeinsam stärker - Hexen stehen für Schwesternschaft 1s2936

Jack Nicholson, Michelle Pfeiffer, Susan Sarandon, und Cher in «Die Hexen von Eastwick» © IMDb | 2014 Getty Images

Eine Ballettschule für Mädchen ist das Setting für die Schwesternschaft in Dario Argentos Klassikers «Suspiria» (1977). Die Hierarchie unter Frauen wird in diesem surrealistischen Albtraum alles andere als friedlich beschrieben, ereignen sich doch gleich mehrere Morde kurz nach der Ankunft der amerikanische Studentin Suzy Bannion (Jessica Harper), bevor sie entdeckt, dass sie einem Hexenzirkel beigetreten ist. Regisseur Luca Guadagnino gibt seinem Remake des italienischen Horrorfilms einen politischen Zusammenhang und analysiert die Machtkämpfe, die in dieser Frauengesellschaft stattfinden. Denn diese Hexen halten nur zusammen, um ihre Macht zu erhalten.

Ebenfalls um Machtkämpfe, aber diesmal mit einem Mann, dreht sich der 80er-Jahre Klassiker «Zauberhafte Schwestern» (1998) lernen zwei Schwestern (Nicole Kidman und Sandra Bullock), dass über ihrer Familie ein Fluch liegt, der nur von einem Hexenzirkel gelöst werden kann.

Fairuza Balk, Neve Campbell, Robin Tunney, und Rachel True in «Der Hexenclub» © IMDb | Courtesy of Columbia Pictures

In «Der Hexenclub» (1996) tut sich eine Gruppe von High School Aussenseiterinnen zusammen, die alle magische Fähigkeiten haben und eine Schwesternschaft gründen. Der Film untersucht Themen wie den Mangel an Selbstwertgefühlen unter jungen Frauen, die Macht, die in einer Schwesternschaft steckt, aber auch die Schwierigkeiten unter Teenagerinnen, wenn der soziale Druck zu stark wird.

Expecto Patronum - Moderne Hexen sind selbstbewusst 4i54b

Emma Watson in «Harry Potter und die Heiligtümer des Todes» © Warner Brothers Switzerland

Die wohl bekannteste Hexe der Neuzeit ist Hermine Granger (Emma Watson) aus den «Harry Potter» Filmen. Sie ist ein starkes, intelligentes und mutiges Mädchen, das keinen Schutz braucht, sondern mit ihren ausserordentlichen magischen Fähigkeiten ihre Freunde Harry (Daniel Radcliff) und Ron (Rupert Grint) aus schwierigen Situationen rettet. Dass ihr Talent nicht vererbt ist, sondern erlernt, macht Hermine zum Aushängeschild für das Sprichwort, «Du kannst alles erreichen, was du dir vornimmst».

Als deutsches Gegenstück zu Hermine kann «Bibi Blocksberg» bezeichnet werden, deren zwei Filme auf den erfolgreichen Kinderbüchern und Hörspielen von Elfi Donnelly basieren und seit 40 Jahren Kinder begeistern. Bibis Besen heisst Kartoffelbrei und jeder ihrer Zaubersprüche endet mit «Hex, Hex» und dem darauffolgenden «Plingpling», ein Geräusch, das inzwischen zu einem beliebten Klingelton geworden ist. Damit meistert Bibi das Leben einer jungen Hexe, die die gleichen Probleme hat wie Mädchen, die ohne Zauberkräfte durchs Leben gehen müssen.

Szene aus «Wicked» © Universal Pictures Switzerland

Hexenfilme verbreiten also viel mehr als nur Angst und Schrecken. Wie die Beziehung zwischen Glinda und Elphaba in «Wicked» zeigt, ist Freundschaft zwischen den unterschiedlichsten Menschen durchaus möglich. Jon M. Chus neue Verfilmung des Musicals von Stephen Schwartz und Winnie Holzman beschreibt die Vorgeschichte der guten Hexe Glinda (Ariana Grande) und der bösen Hexe des Westens (Cynthia Erivo) Elphaba, bevor Dorothys Haus in Oz landete. Die Hexenkraft ist für Elphaba ein Mittel der Ermächtigung, das sie über das Mobbing und die Erniedrigung, die sie ihrer grünen Hautfarbe wegen erleidet, hinweghebt und zu neuen Höhen aufsteigen lässt, der Schwerkraft trotzend.

«Wicked» ist seit dem 12. Dezember im Kino zu sehen.

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